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Sommer in Ebingen

homo.net Info vom 12. September 2024
von Webmaster Jan

 

Albstadt-Ebingen ist ein idyllisches Städtchen mit gerade mal 20.000 Einwohnern, vielen Fachwerkhäusern, Bergen und Wald drum herum, irgendwo in Baden-Württemberg, dort, wo Deutschland mit am schönsten ist. Wenn dort 400 LGBT-Einwohner beschließen, ihren eigenen CSD zu feiern, dann ist das fast die Hälfte der statistisch zu erwartenden schwulen Bevölkerung des Ortes.

Organisiert wurde das Stadtfest von einer Jugendinitiative mit dem euphemistischen Namen „Immeswaslos“. Das ist nicht nur toll für die Jugendlichen, die noch mit ihrem Coming-out hadern, sondern natürlich auch aufregend für alle Bürger des Ortes, denn so viel ist in Ebingen doch nicht los, schon gar nicht immer.

Aber muss gleich so viel passieren, dass der erste CSD in Ebingen bundesweit Schlagzeilen macht? Es ist keineswegs nur der Osten, wo ein paar Rechtsextreme schwules Leben am liebsten ausrotten würden. Selbst ein Mini-CSD wie in Ebingen ruft nicht nur eine, sondern gleich drei Demonstrationen von rechts und links auf den Plan, ob genehmigt oder nicht, ist denen egal.

Die bunte Kundgebung der 400 Freunde des Regenbogens verlief natürlich friedlich, eine angemeldete Gegendemonstration mit 70 Teilnehmern ebenfalls. Sie wurde von der Polizei planmäßig auf Abstand gehalten. Mehrere vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Organisationen hatten dazu aufgerufen. Die Initiative gegen Rechtes Albstadt hatte bereits im Vorfeld des CSD vor dieser Gegendemo gewarnt, insbesondere die „Zollern-Jugend Aktiv“ sei eine Nazigruppe.

Keineswegs so friedlich verlief eine Zusammenrottung von rund 250 Personen der linken Antifa, die unangemeldet und damit illegal durch das Städtchen pöbelten. Sie wurden von der Polizei gewaltsam gestoppt. Mehrere Personen mussten vom Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht werden, ein 19-Jähriger wurde in Gewahrsam genommen und mehrere Strafverfahren eingeleitet.

Später gab es noch einen lautstarken Aufzug von 30 Gegendemonstranten. Auch diese von der Polizei genehmigte und begleitete Demonstration verlief friedlich.

Nachdem Ende der 1960-er Jahre die sexuelle Freiheit für alle erstritten worden war, war es in den folgenden Jahrzehnten ziemlich egal, wer wann und wie oft mit wem im trauten Heim ins Bett ging.

Spätestens seit der Genderdebatte, den Quoten für Frauen, Queere, Behinderte, Ausländer und andere „benachteiligte“ Minderheiten ist auch das Schwulsein keine Privatsache mehr, sondern politisch geworden.

Wenn Transsexuelle als Transsexuelle im Bundestag sitzen und nicht mehr nur als Abgeordnete, die im Privatleben offen oder weniger offen transsexuell sind, wird auch die Transsexualität zum Politikum.

Vorbei sind in Deutschland die Zeiten, in denen die Polizei auf CSDs dienstbeflissen herumsteht, ab und an ein Würstchen isst, gelegentlich einen Info-Stand betreibt und ansonsten den Teilnehmern viel Spaß wünscht.

In einem kleinen, mittelalterlichen Städtchen bringen wenige Hundert Demonstranten das Fass viel schneller zum Überlaufen, als in den Großstädten. Linke wie rechte Chaoten scheinen durchaus reisefreudig zu sein. Sie reisen an, zoffen sich mit den Gegnern und der Polizei und reisen am Abend wieder ab.

Sind es immer nur die Rechten, die Nazis und die Islamisten? Schon die Lebensgeschichte des ersten CSD-Redners könnte uns Aufschluss über weitere Ursachen dieser Spaltung Deutschlands in pro und contra Regenbogen geben:

Der evangelische Pfarrer Samuel Schelle (41) wurde als Transsexueller überregional bekannt, als evangelische Medien vor vier Jahren darüber berichteten, wie aus einem katholischen Mädchen ein evangelischer Pfarrer wurde. Samuel Schelle sagt von sich selbst, er sei „eigentlich ein absoluter Durchschnittsmensch“. Nur spiele seine Identität eine etwas größere Rolle als bei anderen Menschen.

https://my-homo.net/news/SamuelSchelle.html

Schelle ist bei seinen Mitmenschen beliebt und respektiert, auch weil er so offen mit seiner eigenen Transsexualität umgeht. Zwölf Jahre lang wollte er bleiben. Nur vier Jahre sind daraus geworden.

Im Juli traf es alle wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Die badische Landeskirche verabschiedete den weit über die kleinen Orte seines Wirkens hinaus bekannten transsexuellen Pfarrer. Seine Gemeinde hatte geglaubt, mit ihm endlich einen festen Seelsorger vor Ort zu haben.

Wann endlich begreifen die christlichen Kirchen, dass ihre antiquierten Anschauungen, ihre mittelalterliche Sexualmoral und ihr völlig inakzeptabler Umgang mit Homo-, Bi- und Transsexuellen ein wesentlicher Grund für die auch in Deutschland immer stärker um sich greifende Homophobie sind?

Die Menschen müssten wieder toleranter werden und jeden so achten, wie er ist. Schön wäre zudem, wenn alle Posten wieder nach Qualifikation und nicht nach Identität besetzt würden.

Wir sind alle, wie wir sind
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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